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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 18,1.1904-1905

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Heft 4 (2. Novemberheft 1904)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwart für 1905, [13]: Rechts- und Staatslehre
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https://doi.org/10.11588/diglit.8192#0351

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EcciuS gegenüber. Otto Fischers kürreres Lehrbuch führt die Sprache des
klaren schcufdenkenden Kopfcs, der zu gewissenhaften Lesern redet. Die Deutsche
Rechtsgeschichte ist vollständig am besten von Richard Schröder geschrieben;
wie er, unendliches Material zusammenfassend mit straffster Selbstzucht sein
Buch zur Prägnanz treibt, wie er in jeder Auflage die neuesten Resultate rasch
dahmeilender Fmschung lückenlos mitteilt und doch zu eigenen Schlüssen stets
mit umsichtiger Kritik verwertet, ist Kunst zu nennen. Erheblich kürzer als dieser
sehr starke Band ist die Deutsche NechtSgeschichte Brunners, ein nur in Einzel-
heiten veränderter Sonderabdrnck seines meisterhaften Efsays in der Holtzen-
dorff-Kohlerschen Enzyklopädie. Jn seiner für „Bindrngs Handbuch des deutschen
Rechts" begonnenen „Deutschen Rechtsgeschichte", deren brsher erschrenene Tetle
nur erst dre Urzeit und ein Stück des Rechles fränkischer Zeit beschreiben, in
der bekanntesten seiner Monographieen, der „Entstehung der Schwurgerichte',
ist ein grotzer Getst am Werke. Ueber Heuslers „Jnstitutionen des deut-
schen Rechts"' lätzt sich nichts treffenderes vorbringen als die Kritik Otto
Gierkes: „Tief im Gedanken, geistooll in der Auffassung, bestrickend in der Form!"
Das Buch bietet keine eigentliche Geschichte, sondern „ein System des reinen
deutschen Rechts, wie es vor der Aufnahme der fremden Rechte gelebt hat."
Gier kes eigene Schriften zeichnen sich durch die gleichen Vorzüge aus: „Das
deulsche Genossenschafisrecht", das man mit Fug eine deutsche 3iechtsgeschichte
vom Standpunkt der Genofsenschaft hat ncnnen können, und das wohl selten
einer aus der Hand legt, ohne nach den ergänzenden Belehrungen durch die
„Genoffcnschaft und die deutsche Rechlsprechung" und den „Johannes Althusius"
zu oerlangen; der „Humor im deutschen Recht", der Jherings „Kampf" an Ge-
meinoerftändlichkeit erreicht, an Geschmack übertiifft; der erste Band eines „Deut-
schsn Prioatrechis"', der u. a. die beste zusammenfassende Darstellung des Urheber-
rechts enihält. Gierke erfüllt wie kein anderer die Fordecung der historischen
Schule, das Recht zu sehen nicht als erklügelte Polizeivorschrift äußerer Zwangs-
mächte, sondern als Erzeugnis des Volksgeistes, ihm eignet die Gabe wunder-
samer Versenkung in die Tiefen des Nationaibewußtseins. Eine tüchtige, be-
deutende Darstellung des deut'chen Pnvairechls in vollsländigem Sgstem gibt
das Buch von Stobbe und Lehmann, wer die dickleidigen Volumina nicht
angreifen mag, findet bei Gengler oder Gerber-Cosack kürzere Belehrung.
Den Plan einer umversalhistorischen (oergleichenden) RechtSwissenschaft enr»
wickelr Kohlers „Recht als Kulturerscheinung" in anregender Skizze, sein
„Shakespeare vor dem Forum der Jurtsprudenz" in künstlerisch empfundener
Auöführung. Von einer Geschichte der (deutschen) Rechtswissenschaft hat
Stintzing zwei Bände geliefert: trotz hausbacksner Form und Mängeln in
der Bshandlung des allerdings riesenhaften MaterialS eine achtungswerte
Arbeit; der üritte Band hingegen (Neuzeit bis zur Schwelle des 18. Jahrhun-
derts), bearbeitet von Prof Ernst Landsberg in Bonn, ist ein klassisches
Werk historischer Kritik, ficher in den Resultaten, vornehm im Stil, bahnbrcchend
in der Methode, sodatz von Arbeiten ähnlichen Zweckes nur Gierkes Althusius
daneben bestehen kann. Landsbergs elegante Studie „Kant und Hugo' wird
weitreichende Wirkung entsalten, sobald der grotze Kampf um neue, nach kritischen
Grundsätzen geläuterte Ziele -er Rechtswissenschaft heftiger entbrannt sein wird,
dessen erste Schüsse in O. Bülows Rede „Geletz und Rich'eramt", in Eugen
Ehrlichs Broschüre: „Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft' vor
kurzem aufblitzten.

Das bürgerliche Recht, seit 1900 in seinem überwiegenden Teil für das
gesamte Reichsgebiet einheitlich, hat — hier mag z. L. der Reiz des neuen
wiiksam gewesen sein — in sehr zahlreichen Lehr- und Handbüchern Eiläuteiung
gefunden. Von kürzeren seien die Vücher von Matthiatz, Engelmann und
Landsberg hervorgehoben; grotz aagelegt und noch sämilich unvollendet sind
die Werke von Crome: besonders nach scharfer Herausarbeitung der Begriffe
strebend, meist treffend, aber nicht so voll Tiefe und Originalität wie der Ver-
fasser glauben machen will; von Dernburg, wertooll durch ausgiebige An-
kaüpfung an das preutzische und gemeine Recht, ein grotzir Wurf, zeugend von
Meisterhand, aber stellenweise auch vom Erlahmen der Kraft bei dem hohen
Alier des berühmten Rechtslehrers. Wahrhaft schöne Denkmäler echten Juristen-
geistes sind die Vorträge von Eck, nach seinem Tode von Leonhard heraus-
gegeben, und die von Hachenburg, vor einem Publikum geschulter Prakliker

2. Novemberheft z^z
 
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